
Seit kurzem ist es Gewissheit: Friedmar, langjähriges Mitglied des Hannoverschen SK, ist im Alter von 64 Jahren verstorben. Er ist vielen von uns als mannschaftsdienlicher Mitspieler und Trainer bekannt, stets verbunden mit sportlichem Ehrgeiz und sportlicher Fairness.
Anfänge in Anderten
Friedmar begann sein schachliches Wirken in den 1970ern beim SK Anderten, damals einem sehr spielstarken Verein. Er wechselte dann für lange Jahre zum Hannoverschen SK v. 1876, wo er zunächst in der zweiten Mannschaft, später im ersten Team Teil der damaligen Zweitligamannschaft war. Es folgten zahlreiche Wechsel innerhalb von Niedersachsen (u.a. Linden, Schachvereinigung Hannover, Stadthagen, Hameln und SF Hannover) sowie Intermezzen bei Werder Bremen und dem SK Werther. Die letzten Saisons spielte er für den SK Lehrte, mit dem ihm eine lange gemeinsame Zeit als Jugendtrainer verband. Die Vereinswechsel erfolgten zumeist als Folge finanzieller Engagements – denn: Schach war Friedmars Beruf. Er musste davon leben.
Meister-Niveau
Friedmars höchste ELO lag laut Chessbase bei 2340. Das hätte ihm zum FIDE Meister gereicht, einem Titel, den er stets verabscheute und ergo entgegen zahlreicher Gerüchte nie hatte. Höhere Weihen bleiben ihm verwehrt, einerseits aufgrund fehlender Möglichkeiten (längeres Leben in Ungarn wäre eine Option gewesen, Niedersachsen war ein erheblicher Standortnachteil), andererseits wegen seines Nervenkostüms (ich erinnere mich an eine Bundesligapartie, in der er nach Sf3, g3, Lg2 über eine halbe Stunde über Zug 4 sinnierte). So verlor er leider ebenso oft gegen Spieler 2400+ wie er gegen schwächere Spieler gnadenlos gewann, beides aus Mentalität. Sein Remis gegen den 2600er Gyula Sax 1992 wird sein größter Partieerfolg am Brett gewesen sein.
In seiner aktiven Karriere war Friedmar auch ein exzellenter Blitzer, mit einer mechanischen Behändigkeit, die ihm viele nicht zutrauten, dabei stets fair.
Turmendspiele waren die Leidenschaft von Friedmar. Hier hatte er Wissen auf sehr gutem GM-Niveau parat und konnte stundenlang referieren. „Meister des Turmendspiels“ war in Freundeskreisen eine häufige Floskel.
Geld verdienen mit Schach
Nach dem abgebrochenen Mathematikstudium Mitte der 80er hat Friedmar Schach zu seinem Beruf gemacht. Dass er (selbst vor Öffnung des eisernen Vorhangs) keine Chance hatte, sein Leben allein mit Preisgeldern zu finanzieren, war ihm klar. Trainieren und Lehren war daher früh seine gewählte Weichenstellung. Dies hat er in allen erdenkbaren Facetten und Spielniveaus durchgeführt. Die meisten niedersächsischen Trainer verdanken ihren Status seiner Unterschrift.
Erfolgreichste langjährige Schüler von Friedmar sind IM Dennes Abel, Johannes von Mettenheim (auf bestem Weg zum IM), FM Lara Schulze sowie Jan Pubantz. Ich bin gewiss, dass weit über 1.000 Schüler durch ihn zum Vereinsschach gekommen sind. Als besondere Gaben im Trainer-Dasein würde ich nennen wollen, dass er Talent und Nicht-Talent sehr früh und schnell erkennen konnte, stets ein persönlich auf die Schüler zugeschnittenes Training machte (kostete ihn stets Zeit in der Vorbereitung), Wert auf Nachhaltigkeit statt Quick-Wins legte und auch weit über seine eigene Spielstärke hinaus trainieren konnte. Gerade für Letzteres wäre ein internationaler Titel für ihn förderlich gewesen. Neuerungen wie Onlinetraining, Kindergartenschach u.ä. waren Friedmar stets ein Ausprobieren wert. Friedmars Engagement und Motivation sind legendär!
Der Mensch Friedmar Schirm
Friedmar als Mensch war für die meisten von uns nicht einfach. Wenn ich ihn nur so kennengelernt hätte wie bei den Bezirksmeisterschaften 1983 (überheblich und arrogant, Brücken aus Nichtigkeit abbauend), so würde ich diesen Nachruf nie und nimmer schreiben. 1985 eröffnete sich mir jedoch die Gelegenheit, freitags in der Klamotte, mittwochs in Linden und montags im Elchkeller den Menschen hinter der Fassade kennenzulernen: Einen begeisterten sportlichen Kartenspieler (Doppelkopf, Skat, Ramsch!), eine Katze an der Tischtennisplatte (das ist kein Sport im Stehen!!!), einen geduldigen „ich spiele (und gewinne) immer wieder gegen Dich“-Zocker und vor allem einen loyalen, interessierten, gesprächsfreudigen Freund mit Verständnis, Zuhörer-Qualitäten und einer Menge witziger Anekdoten. Dass Schach dabei gern im Mittelpunkt stehen durfte, versteht sich von selbst (siehe Titel).
Ein persönliches Projekt, das Friedmar nach Corona sehr am Herzen lag, war die Suche nach ehemaligen „verlorengegangenen“ Weggefährten. Er hat keine Mühen gescheut, mittels Google, Facebook und Co eine erneute Kontaktaufnahme zu versuchen und freute sich sehr über die geglückten Erfolge.
Friedmars Wertmaßstäbe, denen er sich zeitlebens sehr verband, sind maßgeblich in der Familie geprägt worden, mit der er bis zum Tod seiner Eltern zusammenwohnte. Die letzten Jahre waren dann für Friedmar durchaus beschwerlich, denn seine langjährigen gesundheitlichen Zipperlein erwuchsen sich zu Einschränkungen. Ich bewundere nachträglich Friedmars immensen Optimismus, der ihm für seine guten Tage immer wieder Antrieb gab.
Was Leiden betrifft, ist Friedmar erlöst. Alle positiven Eigenschaften aber bleiben mit uns. Lasst uns diesen seinen Spirit aufnehmen und was draus machen!
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